Liebe Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten der SP
Zwei Themen, die erst kurzfristig auf die Traktandenliste gekommen waren, dominierten die Session: Die Kündigung des kantonalen Gesamtarbeitsvertrags durch den Regierungsrat sowie der dringliche Auftrag der Finanzkommission für ein Kantonsreferendum gegen die geplante Individualbesteuerung. Beides bereitet der SP grosse Sorgen.
Das Fraktionspräsidium wünscht allen einen angenehmen und erholsamen Sommer. Wir melden uns rechtzeitig auf die Septembersession wieder; diese findet am 2., 3. und 10. September statt.
Melina Aletti und Silvia Fröhlicher, Co-Fraktionspräsidium
Die wichtigsten Geschäfte
Viele Diskussionen zum Massnahmenplan
Eigentlich hätten in dieser Session mit einer Ausnahme alle Vorlagen und Aufträge rund um den Massnahmenplan, also das Sparpaket der Regierung behandelt werden sollen. Aufgrund der schwergewichtigen Zusatzthemen reichte es nur gerade in die Hälfte. Doch die behandelten Geschäfte waren durchaus brisant.
Ein erstes Thema brachte die Regierung selbst ein: eine Gesetzesänderung beim Lastenausgleich der Gemeinden. Es geht um die Ausgleichszahlungen des Kantons für Steuerausfälle, die den Gemeinden durch die Umsetzung der Steuerreform und der AHV-Finanzierung 2020 (STAF) entstehen. Damals wurden die Gewinnsteuersätze für juristische Personen stufenweise von rund 21 Prozent auf 15,1 Prozent gesenkt. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Steuerausfälle der Gemeinden deutlich tiefer sind als damals angenommen; die kantonalen Ausgleichszahlen liegen entsprechen eigentlich zu hoch, was die Regierung jetzt recht sanft korrigieren will.
Fraktionssprecher Simon Bürki zeigte, dass die Gemeinden sehr viel besser fahren, als damals angenommen wurde. Zu beachten ist allerdings, dass gerade Gemeinden mit finanziellen Problemen weiterhin mit den unveränderten Zahlungen des Kantons geplant haben. Im Gesetz wurde damals sogar noch eine Erhöhung für den «schlechtesten Fall» eingebaut; ans Gegenteil dachte man aber nicht, eine Reduktion bei besserem Verlauf. «Die SP/junge SP hat bereits bei der STAF-Behandlung festgehalten, dass der Ausgleich an die Gemeinden sehr grosszügig ist. Nachdem die Steuerausfälle viel geringer ausfallen als ursprünglich erwartet, sollte es möglich sein, eine kleine Anpassung vorzunehmen.»
Diese Meinung vertrat dann auch eine Mehrheit des Kantonsrats; allerdings erreichte diese das Zwei-Drittels-Mehr nicht, weshalb es zu einer Volksabstimmung über diese Gesetzesänderung kommt. Der Termin dafür ist noch nicht bekannt.
SP setzt sich gegen Bildungsabbau ein
Weiter ging es mit den Aufträgen der Parteien. Während die SP/junge SP dem Antrag der Mitte für die Beibehaltung des Brückenangebots «Startpunkt Wallierhof» zum Erfolg verhalf, bekamen die SP-Forderungen jeweils fast ausschliesslich die Unterstützung der Grünen. Die Sparmassnahmen werden damit aufrechterhalten; es geht um die ursprünglich geplante Weiterentwicklung der öV-Beiträge, die Fortführung des pädagogischen ICT-Supports sowie die Lektionenkürzungen auf der Primarstufe.
Schon in der Diskussion zum Brückenangebot des Wallierhofs betonte Matthias Racine, dass sich die SP/junge SP allgemein gegen Bildungsabbau stellt. Er hob hervor, wie viele junge Menschen dank des Brückenangebots den Berufseinstieg geschafft haben. Zum pädagogischen Support in der Informatik betonte Silvia Fröhlicher, dieser sei ein Element der Chancengleichheit, da gewisse Gemeinden ihn nun auf eigene Kosten weiterführen werden, andere jedoch nicht. Schliesslich hielt Nicole Wyss zum Lektionenabbau auf der Primarstufe fest, dass dieser einen Angriff auf die Qualität der Volksschule darstelle; vergeblich appellierte sie an das Verantwortungsbewusstsein des Parlaments gegenüber den Kindern, die vom Abbau betroffen wären.
Die weiteren Aufträge zum Sparpaket wurden auf die Septembersitzung verschoben.
Kein Kantonsreferendum gegen die Individualbesteuerung
Mit einem dringlichen Auftrag wollte die Finanzkommission erreichen, dass der Kanton Solothurn ein Kantonsreferendum gegen den Beschluss der eidgenössischen Räte zur Einführung der Individualbesteuerung ergreift. Der Rat sprach sich zwar für die dringliche Behandlung aus, lehnte den Antrag schliesslich aber ab – wie es auch die Regierung empfohlen hatte.
Zu diesem Geschäft braucht es einen kurzen Exkurs in die Bundespolitik: In Bern standen sich für einmal FDP und SP auf der einen, Mitte und SVP auf der anderen Seite gegenüber. SP und FDP sehen in der Individualbesteuerung eine zeitgemässe Gleichbehandlung verheirateter und unverheirateter Menschen. Die Mitte stellt sich gegen die Vorlage, weil sie eine eigene Initiative zum Thema am Laufen hat, die SVP, weil sie die Vorlage als Angriff aufs traditionelle Familienmodell erachtet. Der Entscheid in Bern fiel sowohl im National- als auch im Ständerat nur mit wenigen Stimmen Unterschied aus.
Den Gegnern der Individualbesteuerung kam es da gerade gelegen, dass die Finanzdirektoren der Kantone auf hohe Umstellungskosten aufmerksam machten – auch der Solothurner Finanzdirektor Peter Hodel äusserte sich in der Finanzkommission entsprechend, was zu diesem dringlichen Auftrag führte.
Die Fraktion SP/junge SP stellte sich schon bei der Diskussion um Dringlichkeit gegen das Anliegen. «Es ist nicht Aufgabe des Kantons Solothurn, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen», betonte Co-Fraktionschefin Melina Aletti. Dies umso mehr, als zweifellos ein Referendum auf üblichem Weg, also per Unterschriftensammlung in der Bevölkerung, ergriffen werde.
Ähnlich argumentierte auch die Regierung gegen das Kantonsreferendum; ein solches sei nur bei wirklich zentralen staatspolitischen Fragen angebracht.
Langfristig Mehreinnahmen
In der Diskussion im Rat ging es weit mehr um die inhaltliche Frage der Individualbesteuerung als um die kantonalen Aspekte. Co-Fraktionschefin Silvia Fröhlicher betonte für die SP, das nationale Parlament habe einen gut abgestützten Kompromiss für die Lösung dieses Problems gefunden, das die Politik seit über 30 Jahre beschäftige. Sie widersprach aber auch dem Argument der Mehrkosten für den Kanton. Solche seien zwar in der Umstellungsphase möglich, aber: «Die Kantone werden langfristig profitieren: Dank der Individualbesteuerung wird die Zahl der Erwerbstätigen zunehmen, was schnell zu höheren Steuereinnahmen und auch zu zusätzlichen Einzahlungen in die Sozialsysteme führen wird.»
Mit einem Schmunzeln war zu verfolgen, wie die SVP bei diesem Geschäft die FDP angriff: Sie solle doch ihrem gegenwärtig erfreulich bürgerlichen Weg folgen, statt auf Anweisung von oben ein solches Anliegen zu vertreten – was die Freisinnigen dann natürlich ebenso scharf zurückwiesen…
Affront der Regierung gegen die Sozialpartnerschaft
Am Vortag der Kantonsratssession kam der Paukenschlag: Die Regierung gab bekannt, dass sie den GAV des kantonalen Personals kündigt; beschlossen an ihrer zweitletzten Sitzung in der alten Zusammensetzung, sieben Tage vor Ablauf der Kündigungsfrist, weniger als 24 Stunden vor Beginn der Kantonsratssession – nichts anderes als ein Überfall. Für die Fraktion SP/junge SP sind sowohl das Vorgehen als auch der Entscheid eine Zumutung.
Co-Fraktionspräsidentin Melina Aletti fand deutliche Worte. Nachdem sie realisiert habe, dass es sich bei der GAV-Kündigung nicht um einen verspäteten Aprilscherz handle, habe ihr Kopf sofort unzählige Fragen produziert: «Wie soll die Kündigung gut für die Staatsfinanzen sein, aber keine Lohnkürzungen mit sich bringen? Wie kann ein gleich guter GAV aussehen, wenn er weniger kosten soll? Wieso gerade jetzt? Wann war es nicht möglich, dringliche Anpassungen am GAV vorzunehmen?» Die Erfahrung zeige es klar: «Wenn der Arbeitgeber den GAV kündigt, verdienen nachher die oberen Lohnklassen mehr, die untersten weniger.» Genau so könnte es bei den Solothurner Spitälern passieren, wo drei Viertel aller Mitarbeitenden leicht mehr verdienen als in anderen Spitälern. Sie empfinde es als zynisch, wenn Freisinnige von einem «mutigen Schritt» sprächen: «: Mutig wäre es gewesen, hinzustehen und zu sagen, dass man den GAV für alle Mitarbeitenden behalten will, auch wenn andere Kantone nicht mitgezogen haben.» Und schliesslich die Frage aller Fragen: «Weshalb hat die Regierung einfach gekündigt? Wie sollen die Angestellten und die Personalverbände Vertrauen haben, wenn man nicht verhandelt, sondern kündigt?»
Entsetzen reihum
Urs Huber, als langjähriger Gewerkschaftssekretär beim SEV mit dem Thema Sozialpartnerschaft und Gesamtarbeitsvertrag bestens vertraut, sagte es gleich zu Beginn seines Votums klar: «So stösst man seine Partner vor den Kopf.» Als Präsident des Verbands der Wegmacher hat er Einblick in die von der Regierung heftig kritisierte GAVKO (das Gremium für die Umsetzung und Weiterentwicklung des GAV). Er hielt fest, seine Erfahrung dort sei eine ganz andere: Schwerfällig sei vor allem die Vertretung der Arbeitgeber. Die Berichte, die die Regierung zum Gesamtarbeitsvertrag eingeholt hatte, betrachtete er als gute Grundlage für eine gemeinsame Weiterentwicklung des Gesamtarbeitsvertrags: «Eigentlich steht da drin, dass der GAV sich bewährt hat.» Dass die Regierung auf dieser Basis kündigt statt verhandelt, versteht auch er nicht: «Die Verbände kommen sich vor wie bei Trump: Ein eigentlich befreundeter Staat, ein Partner wird zum Problem, zum Feind erklärt.»
Auch Nadine Vögeli vertritt eine kantonale Berufsgruppe: die Polizei. Deren Personalverband sei ob des Entscheids der Regierung «sprachlos». Und sie hielt klar fest: «Wenn man wirklich etwas Richtiges machen will für die Polizei, gibt es nichts zu sparen, sondern es wird eher mehr kosten.»
Silvia Fröhlicher, als Lehrerin direkt vom Entscheid betroffen, zeigte sich ebenfalls entsetzt: «Die Regierung streut Verunsicherung, provoziert einen Vertrauensverlust und missachtet die Sozialpartnerschaft – und das alles direkt vor Abschluss des Schuljahres.»
SP arbeitet mit – «zum Wohl wirklich aller»
Melina Aletti hielt jedoch fest, dass die Fraktion SP/junge SP trotz allem Unverständnis und trotz dem Vertrauensverlust bereit sei, konstruktiv an der grossen Arbeit mitzuwirken, die nun auf das Parlament zukomme: «Zum Wohl aller, wirklich aller Mitarbeitenden des Kantons – für gute Arbeitsbedingungen, gegen Lohnkürzungen».
In der Septembersession wird der Kantonsrat eine 15-köpfige Spezialkommission einsetzen, die vermutlich während der gesamten Amtsdauer bis 2029 an der Erarbeitung der neuen Grundlagen des Solothurner Personalrechts arbeiten wird. Die Ratsleitung hat am letzten Sitzungstag entschieden, dass die Kommission wie die ordentlichen parlamentarischen Kommissionen zusammengesetzt wird. Das bedeutet, dass SVP und FDP/GLP in der Kommission eine Mehrheit haben, im Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen im Rat.